„Frau Waibel, schmeißen Sie alle festangestellten gewerblichen Mitarbeiter raus und ersetzen Sie diese durch Zeitarbeitnehmer.“

Ich, Betriebsleiterin in einem Logistikbetrieb und mein Chef, der Geschäftsführer, mit einer klaren Ansage. Meine erste Reaktion: krasser Typ, der total durchgedreht ist. Mir war sofort klar, dass ich das nie, nie, nie umsetzen werde.

Ich analysierte ihn, wollte er mich damit testen? Oder ist sein cholerisches Wesen mit ihm durchgegangen. War diese Aussage ein Stellvertreter für einen anderen Konflikt in ihm. Oder meinte er das tatsächlich ernst? Und was ist sein Beweggrund (den hatte ich schnell klar: die Personalkosten).

Was habe ich also getan:

Ich hatte eine schlaflose Nacht, sortierte mich, forderte am nächsten Tag einen Termin ein (er war immer sehr beschäftigt) und teilte ihm folgendes mit:

-eine solche Anweisung setze ich nicht um. Wenn er diesen Weg gehen möchte, dann darf er diesen selbst umsetzen.

-ich strebe einen vertrauensvollen Umgang mit den Mitarbeitern in meinem Verantwortungsbereich an und versuche die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass diese ungehindert tätig sein können, lernen stattfinden kann und die Kundenanforderungen erfüllt werden. Das widerspricht dieser Ansage von ihm.

-in der Zusammenarbeit zwischen ihm und mir erwarte ich eine andere Art der Kommunikation, auch für den Fall, dass dies nicht ernst gemeint war, da ich kein Interesse an informellen Spielchen habe.

-er solle bitte prüfen, inwieweit er bei den Punkte mitgehen und diese unterstützen kann, oder ob ihm diese Art, Zusammenarbeit zu denken total widerspricht, denn dann passen wir nicht zusammen.

Ich hatte den Eindruck, dass er innerlich sehr verunsichert war, denn mit einer solchen Klarheit wurde in dem Unternehmen selten mit ihm gesprochen. Seine cholerische Art blockte ich einfach ab. Zumindest dem Anschein nach, denn dieses Gespräch hat mich nervös gemacht, ich war unsicher und wusste nicht, ob ich es tatsächlich schaffe die Punkte in der von mir angestrebten Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

Glücklicherweise war ich zu diesem Zeitpunkt schon sehr führungserfahren und klar, wie Zusammenarbeit für mich gut funktioniert und welche Werte ich vertrete. Ich frage mich manchmal ob es wohl Führungskräfte gibt, die das wirklich ernsthaft umgesetzt hätten….

Was ist nach meinem Gespräch passiert?

Einfach nichts, meine Punkte wurden gesagt und gehört und bestätigt, dass das doch nicht ganz so gemeint war. Doch ich habe noch etwas anderes gelernt, ich habe den Menschen vor mir gesehen. Dieses Verhalten war seine Strategie an dieser Position zu sein wo er ist, sich durchzusetzen und sich Respekt zu verschaffen und vielleicht auch eigene Unsicherheiten zu kaschieren. Ich vermute, dieses Verhalten war notwendig und nützlich zu einem bestimmten Zeitpunkt. Mir ist es gelungen hinter die Fassade blicken zu können und spürte trotz meiner Distanz zu dem Gesagten, Mitgefühl.

„Es ist alles nur ein großes Spiel“

Lieber Andreas,

dieses Jahr habe ich dir pünktlich zu deinem Geburtstag die obligatorischen Grüße geschickt. Das geht nicht jedes Jahr. Meist bin ich zwangsläufig zu spät und manchmal denke ich erst an deinen Geburtstag, wenn ich die Grüße zu meinem von dir erhalte. Wir kennen uns mittlerweile seit fast 20 Jahren. Bei meinem damaligen beruflichen Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen teilten wir sogar das gleiche Häuschen. Ich hatte großen Respekt. Bei dieser Begegnung war mir nicht klar wie wertvoll du für meinen weiteren Lebensweg sein solltest.

Einige Jahre später, es war wohl im Sommer 2003 ging es um meine erste Tätigkeit nach dem Studium und du brauchstest noch jemand in deinem Team. Ich war ganz schön aufgeregt, ein Logistikzentrum mit aufbauen, puh… Ich spürte einen großen Druck, aber auch eine große Erleichterung, dass du mir das nötige Zutrauen dafür schenktest.

Ein Jahr später stand das Ding und die ersten Stellen wurden besetzt. Du fragtest mich und meine Kolleginnen welche Aufgabe wir uns für uns selbst darin vorstellen könnten und ich entschied mich eher durch den Gruppenzwang der anderen beiden, dir genauso mitzuteilen, dass ich mir eine Gruppenleiterposition sehr gut vorstellen könnte. Ich hatte gefühlt keinen blassen Schimmer was das bedeutet und hatte die große Sorge im Vergleich zu den anderen beiden nicht so genau zu wissen was ich da tun soll, da die Kolleginnen schon längere Zeit in Logistikzentren tätig waren. Nun denn, da war es mein Angstgefühl. Zum Glück kommt zu diesem bei mir auch immer etwas mutiges, ein Antreiber, eine innere Stimme die mir auch damals sagte…..trau dich, du schaffst das, du kannst das und du bist klug genug, das was du nicht kannst, zu lernen. Und so war ich dann 24 Jahr alt, verantwortlich für das erste Team von Mitarbeitern. Die ersten Einstellung, die ersten Abmahnung, die ersten Kündigungen, die ersten Mitarbeitergespräche und damit einhergehend Auseinandersetzungen mit mir in der Führungsrolle und meiner persönlichen Haltung. Du warst mein Berater, Begleiter, Befürworter, Unterstützer und Vorbild. Ich war nicht immer deiner Meinung und doch hatte ich mit dir immer einen Gesprächspartner auf Augenhöhe. Ich durfte meinen eigenen Weg finden, mein Blick war dir wertvoll und ich konnte Gestalter werden und sein. Dies wäre ohne dein Vertrauen und Zutrauen in mich nie möglich gewesen. Durch deine Unterstützung habe ich selbst erkannt zu was ich in der Lage bin und durfte Talente an mir entdecken, die ansonsten vielleicht bis heute darauf warten würden, zum Vorschein zu kommen.

Genau zu dieser Zeit, dem Beginn meiner Begegnung mit Mitarbeitern habe ich mir viele Notizen gemacht. Was ist mir wichtig? Wie gehe ich mit meinen Mitmenschen um? Wie verstehe ich mich selbst in der Rolle? Was bedeutet Vertrauen, Zutrauen, Respekt, Achtung, Fairness? Wie zeigen sich diese in meinem beruflichen Alltag? Heraus kam ein Wertemindset, dass ich bis heute in mir trage und mir hilft im Umgang mit Menschen Klarheit zu spüren.

Ich hatte vor allem, nachdem du dann das Logistikzentrum und später auch das Unternehmen verlassen hattest manchmal das Gefühl, du wurdest in deinem Blick auf das Miteinander und deine Visionen dahinter nicht verstanden. Ich habe das Gefühl, vieles was dir damals wichtig war verstanden zu haben. Vielleicht täusche ich mich, ich hoffe nicht.

Irgendwann im schönen Norden bewarb ich mich auf andere Führungspositionen – ich dachte, das wird ein leichtes Spiel, doch Pustekuchen. Auf die Frage an wen ich bei meiner bisherigen Tätigkeit zu berichten hatte und welche Regeln ich zu beachten gehabt hätte, gab ich zur Antwort, dass ich keine Berichte in der ihrigen Vorstellung abzugeben hatte und dass es für mich keine Regeln gab außer den Notwendigkeiten, die die Aufgabe und die Verantwortung gegenüber den Kunden mit sich bringt. Budgets auch nicht etc….Mir wurde nicht geglaubt. Doch du weißt, dass das stimmt, denn das war mein Berufseinstieg und daher meine Realität. Dass Arbeit (leider) auch anders organisiert sein kann, habe ich erst später erleben dürfen.

Für einen Satz habe ich noch einige Jahre gebraucht um ihn zu verstehen. Ich nahm die Themen schon immer sehr ernst und wollte keine Fehler machen, genau und gründlich arbeiten etc. das führte zu manchen Zweifeln und ungelösten Rätseln mit viel Kopfzerbrechen. Während dein Blick die Kühltürme streiften sagtest du in einem solchen Augenblick des Grübelns zu mir: „Nadine, das ist alles nur ein großes Spiel“. Heute bin ich viel lockerer und entspannter…. ich spiele gerne 😉

Danke dir von ganzem Herzen.

Nadine


Das habe ich gelernt:

  • Dialogische Führung in der Praxis
  • Eigene Haltung Entwicklen
  • Die Wirkung von Vertrauen und Zutrauen in mich und in andere
  • Meine Führungsqualitäten
  • Beschäftigung mit Selbstverantwortung
  • Wertbildungsrechnung
  • Projektsteuerung
  • Lagersteuerung

Open Space

Open Space

Ich sitze im Kreis und mir wird von einem Gesetz der zwei Füße, Schmetterlingen und Hummeln erzählt. Ich gehe innerlich auf Abstand, fühle mich nicht wohl, doch ich bin neugierig und lasse mich darauf ein.

Es wurde gelabert, bessergewusst, sich profiliert und das vollkommen ohne dass daraus ein Ziel erreicht wurden. Für mich inhaltlich eine totale Verschwendung und eher abstoßender Natur. So war ich arbeiten nicht gewohnt. Die Themen haben mich nicht interessiert und in Besserwisserei wollte ich bislang auch nicht punkten.

Aber das Thema Open Space ließ mich nicht los und etwas getrieben durch die Idee mich mit meiner frischen Selbständigkeit vernetzen zu wollen ging ich nochmals zu einer solchen Veranstaltung – diesmal mit dem Schwerpunkt Neue Arbeitswelt.

Ich entschied, nicht zu warten bis ich mit Themen konfrontiert werde, auf die ich keine Lust habe und nahm das Zepter in die Hand. Zum Glück hatte vom ersten Termin gelernt wie das funktioniert. Meine Session: Wie gehen selbstgesteuerte Urlaubsplanung und offene Gehaltsrunden in einem Logisitzentrum. Ein Erfolg – meine Session war voll mit Menschen, Kontakte entstanden, es wurde diskutiert, eine wahre Freude. Mir wurde irgendwann erzählt, dass ich ja eine Storytelling Session gemacht hätte. Aha, da gab es wohl einen Begriff für.

Open Space gibt mir mittlerweile die Möglichkeit kraftvolle Begegnungen erwachsen zu lassen. Ich habe gelernt den „Space“ für mich zu nutzen. Das braucht zu beginn Mut und führt zu einem sehr großen Spielraum. Dabei stelle ich mir die Frage: Trage ich bei oder lerne ich etwas, ansonsten kann ich gehen. Freiräume entstehen genauso wie die Option sehr konzentriert voneinander zu lernen und als Forscher unterwegs zu sein.

Was ich gelernt habe:

  • Einem Thema mehrere Chancen zu geben lohnt sich
  • Wenn ich mich für etwas öffne entstehen für mich sehr interessante Begegnungen
  • Wie Open Space funktioniert
  • Dass es eine Methode für Storytelling gibt