Gestalt und Führung: Das dialogische Prinzip

Ich Chef du nix – ein Satz der weitgehend bekannt ist und von mir auch schon im Kontakt mit einem Geschäftsführer erlebt wurde. Dieser begrüßte mich eines Morgens mit dem Satz „Frau Waibel, schmeißen Sie sofort alle Zeitarbeitnehmer aus der Firma, die bringen’s nicht.“ Ihn Interessierte weder meine Ideen zu Zusammenarbeit, noch meine Arbeitsweise, noch wie es mir damit geht – ich kündigte innerhalb der Probezeit. Ich bin dennoch froh über diese Erfahrung, denn bis zu diesem Zeitpunkt war meine Arbeitsweise im Umgang mit MitarbeiterInnen geprägt von den Ideen der dialogischen Führung. Ich stellte Unterschiede fest und mir wurde klar, wie wirksam die echte Begegnung auf Augenhöhe ist.

In Arbeitsbeziehungen passiert diese Ich – Es Beziehung rasend schnell. Die Mitarbeiter werden wie Objekte behandelt, die einzelne Arbeitsaufträge zu erledigen haben. Oftmals wird Interesse nur dem Output der Arbeitsleistung gewidmet und nicht dem Individuum.

Im Rahmen meiner Ausbildung zur Therapeutin beschäftige ich mich erneut mit dem Dialogischen Prinzip und erlebe ein Deja-Vu. In der Beziehungsgestaltung mit meinen zukünftigen Klienten darf/soll ich zu einer Ich-Du Beziehung einladen. Also mein Gegenüber als Wesen und Teil unseres Dialoges genauso begreifen, wie mich selbst. Ein Client entspricht nicht einem Objekt, welches irgendwie behandelt werden soll, sondern einem Menschen mit seinen/ihren Erfahrungen, Haltungen, Gedanken, Gefühlen, Ideen und Ressourcen. Die Beziehungsgestaltung wird als ein wesentlicher Wirkfaktor in der Gestalttherapie betrachtet. In dem Therapeuten oder der Therapeutin hat ein Klient ein ehrliches und aufrichtiges Gegenüber mit der Chance in der Begegnung zu wachsen, zu lernen und die Therapeutin als Projektionsfläche und Resonanzkörper für die persönlichen Fragen zu nutzen. Die Therapeutin wiederum begegnet den Klienten mit dem tiefen Vertrauen in deren Fähigkeiten und nimmt sich selbst genauso wahr in der Begegnung wie die Klienten auch. Das führt zu einer Begegnungskraft zwischen zwei Menschen.

Mit dieser Haltung, die ich in der Gestalttherapieausbildung wiederentdeckte bin ich schon früher meinen Mitarbeitern begegnet. Als Führungskraft habe ich die Verantwortung bei mir gesehen, eine Begegnung auf Augenhöhe anzubieten, gemeinsam zu forschen, Anliegen zu verstehen, gemeinsam Lösungen zu finden, transparent zu kommunizieren wo es dies bedarf und offen zu sein, für das was mir gesagt und gespiegelt wird. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir vertraut wurde vom Auszubildenden bis zu meinem Chef, obwohl ich in der Verantwortung für 400 MitarbeiterInnen auch schwierige Entscheidungen zu treffen hatte und knifflige Gespräche führte. Ich war auch in meiner formellen Rolle ein Mensch, eine nahbare Führungskraft, eine die versuchte eine gute Basis für Zusammenarbeit zu gestalten. Das Dialogische Prinzip habe ich hierfür als essentiell für mich erarbeitet und betrachtet. Impulse gaben mir schon beim Einstieg in meine Tätigkeit die Aspekte der Dialogischen Führung (Dietz und Kracht). Ich habe erfahren, dass genau über diese Haltung Respekt im Miteinander entsteht.

Wenn also eine Führungskraft eine Haltung entwickelt hat, die dem Menschen zugewandt ist und an dessen Fähikgeiten glaubt, sich selbst nicht so wichtig nimmt in der hierarchischen Bezeichnung, sondern sich auch einfach als Mensch mit dem unternehmerischen Verantwortungsbereich wahrnimmt, dann kann eine berufliche Begegnung stattfinden, in der sich Mitarbeiter mit ihren Talenten gesehen und wertgeschätzt fühlen, Wirksamkeit spüren und selbst Wagnisse im Unternehmen eingehen. Offener Dialog kann stattfinden und Vertrauen zueinander wächst.